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  • AutorenbildBernd Lohmeyer

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens

Lernen von Israel


In den deutschen Arztpraxen tritt eine verschlafene Digitalisierung besonders deutlich zu Tage. Während ich mir im Wartezimmer auf meinem Smartphone einen Vortrag aus den USA in Echtzeit angucken kann, erhalte ich von meinem Arzt zum Abschied ein Stempel in mein Heft und eine Röntgenaufnahme in einer Mappe. Solche Ambivalenzen verdeutlichen: Das deutsche Gesundheitssystem muss dringend digitalisiert werden. Dabei wäre eine elektronische Patientenakte alles andere als eine Revolution. In Israel existiert eine solche Patientenakte schon seit über 20 Jahren. Nicht ohne Grund hat der Impfstoff-Lieferant Pfizer schon im ersten Jahr der Pandemie einen Handel mit der israelischen Regierung abgeschlossen. Israel erhielt genügend Impfstoff und lieferte an Pfizer im Gegenzug die beim Impfprozess gewonnenen anonymisierten Daten des bestens digitalisierten Gesundheitssystems. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach musste gegenüber der Süddeutschen bedauernd anerkennen: "Was Sie tun, können wir nicht." Die digitalen Patientendossiers in Israel registrieren jeden Arztbesuch, jede Diagnose und jedes verschriebene Medikament. Das erleichtert nicht nur das Leben der Ärztinnen und Ärzte. Spätestens die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Gesundheitsdaten in Krisen als Basis für politische Entscheidungen notwendig sind. Gleichsam profitiert die Forschung von einem großen Datenpool. Künftig ließen sich anhand solcher Daten und mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz auch Risikopatienten für Herzinfarkte oder Schlaganfälle herausfiltern. Darüber hinaus haben Patienten selbst stetigen Zugriff auf ihre medizinischen Daten. So werden das Bewusstsein und die Kontrolle über die eigene Gesundheit gestärkt.


Deutschland muss jetzt lernen


In Deutschland existiert die elektronische Patientenakte zwar bereits seit 2021, doch bisher nur mit mäßigem Erfolg. Weniger als ein Prozent der Deutschen nutzen diese auch. Deswegen soll 2024 bei gesetzlich Versicherten das sogenannte Opt-out-Verfahren eingeführt werden. Dabei müssen Versicherte eigens widersprechen, wenn sie die elektronische Akte nicht erhalten wollen. Mit der Allianz hat auch die erste private Krankenversicherung im November 2022 die elektronische Patientenakte eingeführt. Weitere private Versicherer haben angekündigt, bis zum Ende dieses Jahres nachzuziehen. Ob die digitalen Daten in naher Zukunft für zentrale Forschung verwendet werden können, ist unklar. Es gibt Zweifel daran, ob gesundheitsbezogene Daten in jedem Fall anonym bleiben. Einen Skandal mit digitalen Patientenakten hat es jedoch auch nach Jahrzehnten in Ländern wie Israel oder England nicht gegeben. Wir sollten von den digitalisierten Gesundheitssystemen dieser Länder lernen. Es geht nicht darum ein Gesundheitssystem zu kopieren, sondern Erkenntnisse zu erlangen und richtige Schlüsse zu ziehen. So gibt es in Israel aufgrund der Sorge zur persönlichen und nationalen Sicherheit einen anderen Bezug zum Datenschutz als in Deutschland. Trotzdem müssen auch wir erkennen: Gesundheitsdaten sind privat und schützenswert, doch seit jeher auch die Grundlage unserer medizinischen Erkenntnisse. Wir sollten schnell die Digitalisierung vorantreiben und einen angemessenen Umgang mit den Daten finden – im Sinne des medizinischen Fortschritts.



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